Das Fürstentum Liechtenstein   >  

Die Rechtspflege   >  

Das Fürstentum Liechtenstein   >  

Die Rechtspflege   >  

Die Rechtspflege

Beispiele aus dem Strafrecht

Raubüberfall
Im Folgenden sollen drei Beispiele aus drei verschiedenen Verfahrensarten den Gang der Strafverfahren erläutern. 
  • Eine Geschwindigkeitsüberschreitung im Strassenverkehr
  • Ein schwerer Betrug
  • Ein schwerer Raub
Patrouillentätigkeit der Landespolizei
Eine Übertretung des StrassenverkehrsgesetzesAnlässlich einer Patrouillentätigkeit der Spätdienstpatrouille der Landespolizei fällt das Fahrzeug, Ford Escort, FL 123456, mit welchem Jürgen Fast unterwegs ist, durch die schnelle Fahrt im Bereich der «Lindenkreuzung» auf. Die beiden Polizisten schliessen mit ihrem Fahrzeug im 50 km/h Bereich (Höhe Hilcona AG) auf den Personenwagen von Jürgen Fast auf. Dabei beginnen sie in einem gleich bleibenden Abstand zu diesem Fahrzeug in Schaan, nach dem Signal Höchstgeschwindigkeit 80 km/h, mit dem geeichten Messgerät «Multagraph T21-4.1B» in ihrem Dienstfahrzeug die Nachfahrmessung. Jürgen Fast fährt im 80 km/h Bereich mit einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 132 km/h. Die beiden Polizisten beenden die Messung in Bendern, Bendererstrasse, vor dem Signal Höchstgeschwindigkeit 60 km/h. Sie halten Jürgen Fast auf der Hauptstrasse in Gamprin an und kontrollieren ihn und entziehen ihm auf der Stelle den Führerschein. Jürgen Fast verweigert die Aussage zur Sache. Die Anzeige an die Staatsanwaltschaft nimmt er zur Kenntnis.

PolizeiberichtAus den Ermittlungsergebnissen fasst die Landespolizei einen Polizeibericht ab und sendet ihn der FL Staatsanwaltschaft (Anzeige). Die Staatsanwaltschaft prüft den Sachverhalt und stellt – falls nach ihrer Ansicht eine zu verfolgende strafrechtliche Handlung vorliegt – einen Bestrafungsantrag beim Fürstlichen Landgericht, wegen Übertretung nach Art. 85 SVG (Strassenverkehrsgesetz) iVm Art. 6 Abs. 1 lit. b VRV Verkehrsregelnverordnung).
Zudem leitet die Polizei den Bericht an die Motorfahrzeugkontrolle weiter. In der Abteilung Administrativmassnahmen wird entschieden wie lange der Führerschein entzogen wird.

Weitere Infos...
Motorfahrzeugkontrolle Administrativmassnahmen
 
Strafverfügung Aufgrund des Bestrafungsantrages und des Polizeiberichtes verfasst ein Landrichter eine Strafverfügung, in der Jürgen Fast wegen Übertretung nach Art. 85 SVG (Strassenverkehrsgesetz) im Art. 6 Abs. 1 lit. b VRV (Verkehrsregelnverordnung) zu einer Busse von CHF 1'220 verurteilt wird. Diese Strafverfügung wird aufgrund der Akten und ohne Durchführung einer Verhandlung erlassen.
Sofern der Verurteilte mit dieser Strafverfügung nicht einverstanden ist, hat er die Möglichkeit, gegen sie innerhalb der Frist von 14 Tagen Einspruch beim Fürstlichen Landgericht zu erheben. Wenn er dies macht, hat das Landgericht eine Verhandlung anzuberaumen, selbst den Beschuldigten einzuvernehmen, Zeugen zu hören und allenfalls weitere Beweise aufzunehmen. Aufgrund des dann durch das Gericht festgestellten Sachverhaltes fällt der Richter ein Urteil, das er am Ende der Verhandlung verkündet und auch mündlich begründet.
Gegen dieses Urteil steht dem Verurteilten das Rechtsmittel der Berufung an das Fürstliche Obergericht zu. Bei einem Freispruch hat er kein Rechtsmittel, hingegen steht dann der Staatsanwaltschaft das Rechtsmittel der Berufung zu.
Wird im vorliegenden Fall das Urteil des Erstgerichtes durch das Obergerichtgericht bestätigt, so steht kein weiteres Rechtsmittel offen. Entscheidet es aber abweichend, so ist die Revisionsmöglichkeit an den Obersten Gerichtshof gegeben.


Strafverfügung
 

 
Ein schwerer BetrugDie 17-jährige Petra Bildschirm arbeitet als Bürolehrling im Treuhandbüro ABC AG. Zu ihrem Aufgabenbereich gehört u.a. auch die Erledigung von Botengängen und hierbei teilweise auch das Abholen von grösseren Bargeldbeträgen bei der XYZ Bank, vor allem auch mit Bezug auf die von der ABC AG treuhänderisch verwalteten Gesellschaften. Am 15.11.2005 trifft sie sich mit ihrem Freund, dem 19-jährigen Josef Nimmersatt, und ihrem 13-jährigen Bruder Kuno Bildschirm, in einem Spielsalon. Sie erzählt den beiden, dass sie immer wieder grössere Bargeldbeträge bei der XYZ Bank abholen müsse. Daraufhin verabreden die drei, mittels Verwendung eines gefälschten Vergütungsauftrags (Barbezugbelegs) bei der XYZ Bank CHF 75'000 durch Täuschung des auszahlenden Bankangestellten über die Echtheit des Barbezugbeleges unberechtigt Geld vom Konto eines Kunden der ABC AG in bar zu beheben. Sie vereinbaren, dass Petra Bildschirm einen falschen Vergütungsauftrag (Barbezugbeleg) erstellen soll. Ihr Freund Josef Nimmersatt soll das Geld bei der YXZ Bank unter Verwendung des falschen Belegs beheben. Ihr Bruder Kuno Bildschirm soll auf dem Barbezugsbeleg die Unterschrift des über das Konto verfügungsberechtigten Dr. Anton Wenaweser fälschen. Sie vereinbaren die Beute von CHF 75'000 auf alle drei Beteiligten zu gleichen Teilen aufzuteilen.

Durchführung des Planes Drei Tage später führen sie dieses Vorhaben durch. Nachdem der Bankangestellte Fritz Kundendienst den ihm von Josef Nimmersatt vorgelegten Beleg geprüft und die Unterschrift des Dr. Anton Wenaweser für echt befunden hat, bezahlt er ihm CHF 75'000 zu Lasten des Kontos der Sitzhier AG in bar aus. Petra Bildschirm wusste, dass mit der Behebung mittels des falschen Barbezugsbelegs die Sitzhier AG geschädigt würde. Es kam ihr geradezu darauf an, sich selbst und ihre beiden Mittäter Josef Nimmersatt und Kuno Bildschirm durch diese Tat unrechtmässig zu bereichern.

Einvernahme Josef Nimmersatt setzt sich nach der Tat mit dem erhaltenen Barbetrag von CHF 75'000 ins Ausland ab. Er teilt das Geld nicht wie vereinbart mit Petra und Kuno. Die ganze Sache fliegt auf, weil in der XYZ Bank in der Schalterhalle alle Kunden gefilmt werden und eine Angestellte der Bank Josef Nimmersatt auf den Aufnahmen erkennt. Die XYZ Bank erstattet eine Anzeige bei der Landespolizei. Diese führt eine Einvernahme von Petra und ihres jüngeren Bruders Kuno durch. Vom so ermittelten Tatbestand verfasst die Landespolizei einen Bericht, in dem die wesentlichen Ergebnisse der Untersuchung zusammengefasst sind, und leitet ihn der FL Staatsanwaltschaft weiter.

Bedingte Freiheitsstrafe Die FL Staatsanwaltschaft verfasst eine Anklageschrift, die dem Jugendgericht zugeleitet wird. Zur Verhandlung vor dem Jugendgericht werden Petra Bildschirm und ihr jüngerer Bruder Kuno Bildschirm geladen. Mit einer Strafe zu rechnen hat aber nur Petra. Ihr Bruder Kuno, der zum Zeitpunkt der Tat das 14. Altersjahr noch nicht vollendet hatte, wird für die Tat nicht bestraft werden, weil er noch strafunmündig ist. Petra Bildschirm wird vom Land- als Jugendgericht zu einer bedingten Freiheitsstrafe von 8 Monaten verurteilt. Gegen dieses Urteil kann sie Berufung an das Obergericht führen. Josef Nimmersatt wird international zur Fahndung ausgeschrieben.

Urteil des Jugendgerichts
 
  
 
Ein schwerer Raub  Ludwig Räuber hat durch ausgiebige Nachforschungen in Erfahrung gebracht, dass immer am vierten Freitag eines jeden Monats ein Bote der XYZ Bank, Vaduz, grössere Geldbeträge zu einer Firma in Schaan bringt. Er entschliesst sich, diesem Geldboten aufzulauern und ihm unter Zuhilfenahme einer Waffe das Geld wegzunehmen. Dies gelingt dem Täter auch, er wird aber von einigen Zeugen gesehen und dabei erkannt. Aufgrund der polizeilichen Nachforschungen wird Ludwig Räuber, der sich zu einem Verwandtenbesuch erneut in Liechtenstein aufhält, zwei Wochen später verhaftet und wegen bestehender Fluchtgefahr über ihn vom Untersuchungsrichter die Untersuchungshaft verhängt.

Anklageschrift Nachdem die Ermittlungen der Landespolizei abgeschlossen wurden und ebenfalls der Untersuchungsrichter seine Untersuchung beendet hat, verfasst die FL Staatsanwaltschaft die Anklageschrift und leitet diese an das Kriminalgericht weiter. Gemäss § 15 der Strafprozessordnung ist für die Behandlung eines Verbrechens (Obergrenze der angedrohten Freiheitsstrafe mehr als 3 Jahre) durch einen Erwachsenen das Fürstliche Landgericht als Kriminalgericht zuständig.

Urteil In der Schlussverhandlung gesteht Ludwig Räuber, nachdem er den Zeugen des Raubes gegenübergestellt worden ist, dass er die Tat begangen hat. Das Urteil wird am Schluss der Verhandlung, nach erfolgter geheimer Beratung des Gerichtes, verkündet und mündlich begründet. Ludwig Räuber wird vom Land- als Kriminalgericht wegen des Verbrechens des schweren Raubes zu einer Freiheitsstrafe von 6 Jahren verurteilt.
Auch gegen dieses Urteil steht dem Verurteilten Ludwig Räuber das Rechtsmittel der Berufung an das Fürstliche Obergericht und allenfalls der Revision an den Obersten Gerichtshof zu.

Urteil Kriminalgericht