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Die Rechtspflege

Schuld und Strafe

Richtschwert, Länge 115 cm, Breite oben 6 cm, unten 6,5 cm, auf einer Seite mit folgender Inschrift: "Hühte Dich und thu kein Böses nicht, So komstu auch nicht Ins  gericht", darüber eingraviert ist die figürliche Darstellung der Justitia. Die andere Seite trägt die Inschrift "Wan Dem Armen Sünder wird abgesprochen das Leben, So wirdt er mir unter meine hand gegeben" und die Darstellung eines Scharfrichters. (Werk eines unbekannten Künstlers aus dem 18. Jahrhundert)
Der Staat hat die Aufgabe das Recht für den Einzelnen und die Gesellschaft zu garantieren. Unterschiedlich Anschauungen bestehen aber darüber, was allfällige Strafen bewirken sollen.

Das Strafrecht gehört zum öffentlichen Recht. Es schützt die öffentliche Ordnung aber u.a. auch Leben, Freiheit und Eigentum von Privatpersonen. Im Gegensatz zur vorgeschichtlichen Zeit, als Fehden und Faustrecht herrschten, muss heute der Staat das Recht für den Einzelnen und die Gesellschaft durchsetzen. Von daher leitet der Staat auch das Recht ab, Strafen zu verhängen.

Symbol für richterliche Macht Ein Symbol für die richterliche Macht ist die «Justitia», die römische Göttin der Gerechtigkeit. Sie trägt (meist) eine Augenbinde, eine Waage und ein Schwert. Die Augenbinde soll ausdrücken, es soll Recht gesprochen werden ohne Ansehen der Person; die Waage bedeutet, jeder soll das ihm Zustehende erhalten; und das Schwert erinnert daran, dass der Staat die Macht hat, dem Recht Geltung zu verschaffen (ursprünglich sogar Todesurteile zu vollziehen).
 
Strafwirkung Darüber, was Strafe bewirken soll, gehen die Meinungen auseinander. Sicher darf das altbiblische Wort «Auge um Auge, Zahn um Zahn»  bei der Straffindung nicht angewendet werden, auch wenn in breiten Schichten der Bevölkerung – besonders bei emotionsbeladenen Prozessberichten – immer wieder solches Rachedenken durchbricht. Vom Staat verhängte Strafe aber darf kein verdecktes Faustrecht sein.
 
Es gibt unterschiedliche Anschauungen über die Wirkung der Strafe auf die Täter:
Die zu erwartende Strafe soll einen möglichen Täter vor Straftaten abhalten, also abschreckende Wirkung zeigen.
Die Strafe soll den Täter mit der Gesellschaft versöhnen, gegen deren Normen er verstossen hat.
Die Strafe soll dem Täter eine Wiedereingliederung in die Gesellschaft ermöglichen und ihm Gelegenheit zur Wiedergutmachung geben.
 
Strafgesetzbuch und Strafrahmen Im Strafgesetzbuch sind strafbare Handlungen aufgeführt, und es wird für all diese Straftaten ein Strafrahmen festgelegt. Dieser nennt die geringste und die höchste Strafe, die für eine bestimmte Straftat in Frage kommt. Dies ist auch der Ermessensspielraum des Richters, innerhalb dessen er nach seinem Wissen und Gewissen das Strafmass festlegen kann. Strafbare Handlungen werden im liechtensteinischen Strafgesetzbuch wie folgt eingeteilt:
 
Verbrechen – Vergehen – Übertretungen Verbrechen, sind vorsätzliche Handlungen, die mit lebenslanger oder mit mehr als 3-jähriger Freiheitsstrafe bedroht sind. Alle anderen strafbaren Handlungen sind, soweit in strafrechtlichen Nebengesetzen nicht etwas anderes bestimmt ist, Vergehen. In strafrechtlichen Nebengesetzen werden neben solchen Vergehen auch Übertretungen festgelegt. Übertretungen sind die am wenigsten schweren Delikte, also strafbare Handlungen, die man als am wenigsten strafwürdig betrachtet.
 
Freiheitsstrafen und Geldstrafen für ErwachseneBei Erwachsenen richtet sich die Höhe der Strafzumessung nach dem Verschulden des Täters. Dabei werden das Motiv für die Tat, das Vorleben und die persönlichen Verhältnisse des Täters mitberücksichtigt.
Das liechtensteinische Strafgesetzbuch sieht Freiheitsstrafen und Geldstrafen vor. Freiheitsstrafen werden auf Lebensdauer oder auf bestimmte Zeit verhängt. Die zeitliche Freiheitsstrafe beträgt mindestens 1 Tag und höchstens 20 Jahre. Eine Geldstrafe ist in Tagessätzen zu bemessen. Sie beträgt mindestens 2 Tagessätze. Der Tagessatz ist nach den persönlichen Verhältnissen und der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des Rechtsbrechers im Zeitpunkt des Urteils erster Instanz zu bemessen. Der Tagessatz ist jedoch mindestens mit CHF 10 und höchstens mit CHF 1'000 festzusetzen. In strafrechtlichen Nebengesetzen werden auch Geldbussen festgesetzt.
 
Nimmt der Täter die Diversion (seit 2007) an, so kommt es nicht zu einer Verurteilung des Täters. (Foto: 2003)
Diversion Am 1. Januar 2007 wurde in Liechtenstein die so genannte Diversion eingeführt. Damit wird dem Staat die Möglichkeit gegeben, eine differenzierte, effiziente und zeitgemässe Reaktion auf strafbares Verhalten zu tätigen. In der Diversion kann die Staatsanwaltschaft bei kleinen und mittleren Delikten dem Täter eine der vier Möglichkeiten der Diversion anbieten, nämlich die Zahlung eines Geldbetrages, die Erbringung gemeinnütziger Leistungen, die Bestimmung einer Probezeit in Verbindung mit Bewährungshilfe unter Erfüllung von Pflichten oder einen Tatausgleich. Nimmt der Täter die Diversion an, so wird auf die Durchführung eines Strafverfahrens verzichtet, es kommt also nicht zu einer Verurteilung des Täters.
 
Das Jugendstrafrecht zielt auf Einsicht und Reue ab. Die Besserung ist das zentrale Anliegen. (Foto von Julia Freeman-Woolpert, 2018)
JugendstrafrechtDas Jugendstrafrecht verfolgt als Zweck nicht Sühne oder Vergeltung; es ist vor allem auf Erziehung und Besserung des jugendlichen Delinquenten ausgerichtet. Deshalb stehen im Jugendstrafrecht die Erziehungs- und Fürsorgemassnahmen im Vordergrund, Strafen sind dabei zweitrangig. Welche Folgen dem Jugendlichen erwachsen, hängt von der Schwere seiner Tat und in besonderem Masse von der Persönlichkeit des Täters ab. Deshalb werden vor allem seine Erziehung, sein Verhalten und sein persönliches Umfeld durchleuchtet.

Kinder und Jugendliche Das Jugendstrafrecht unterscheidet zwischen Kindern und Jugendlichen. Kinder unter 14 Jahren sind gemäss Gesetz für ihre Straftaten noch nicht verantwortlich und werden deshalb auch nicht vom Gericht abgeurteilt. Jugendliche sind Personen, die das 14. Lebensjahr vollendet, das 18. Lebensjahr aber noch nicht abgeschlossen haben. Zu welcher Altersstufe ein jugendlicher Delinquent gerechnet wird, hängt von seinem Alter im Zeitpunkt der Straftat ab.