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Geschichte der politischen Rechte bis 1921

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Geschichte der politischen Rechte bis 1921

Geschichte der politischen Rechte bis 1921

Die Verfassung von 1862

Fürst Johann II. (1840 - 1929) unterzeichnete am 26. September 1862 die neue konstitutionelle Verfassung auf Schloss Eisgrub. Mit dieser Verfassung trat Liechtenstein endgültig in den Konstitutionalismus ein. (Gemälde eines unbekannten Künstlers im 19. Jahrhundert)
Die Revolutionen hatten Spuren hinterlassen und vieles in Bewegung gesetzt. So waren anfangs der 1860er Jahre in den meisten deutschen Staaten liberale, konstitutionelle Verfassungen eingeführt worden.

Die liechtensteinischen Landstände klagten nicht zu Unrecht, Liechtenstein werde unter all den deutschen Verfassungsstaaten das «Waisenkind im grossen Vaterlande» sein. Am Zustandekommen der liechtensteinischen Verfassung von 1862 waren eine ganze Reihe von Personen und Instanzen beteiligt. Sie gestalteten damit auch die künftige Volksvertretung. Verschiedene Verfassungsmodelle dienten als Grundlage.
 
Landesverweser Menzinger schuf 1859 einen Verfassungsentwurf. Menzinger hätte dem Landtag aber nur Beratungs- und Kontrollrechte gegeben.
 
Als Fürst Johann II. dann Ende 1860 die Regierung endgültig übernahm, wurde Menzinger pensioniert. Der neue Landesverweser Karl von Hausen arbeitete seinerseits einen Verfassungsentwurf aus und sandte ihn nach Wien.
Von Hausens Entwurf wurde vom Bundesgesandten für Liechtenstein, dem deutschen Rechtsgelehrten Freiherrn von Linde, revidiert und auch mit von Hausen in Vaduz besprochen. Schliesslich genehmigte der Fürst den revidierten Entwurf im Oktober 1861.
 
Der Landesverweser Karl von Hausen (1823 - 1889) arbeitete 1861 einen neuen Verfassungsentwurf aus. (Foto aus dem 19. Jahrhundert)
Ein langer Weg zur Verfassung Nun wurde er auf einem ausserordentlichen Landtag den Landständen zur Beratung und Annahme vorgelegt. Doch die Landstände lehnten die Plenumsberatung des fürstlichen Verfassungsentwurfes ab. Ein landständischer Verfassungsausschuss arbeitete den fürstlich-hausenschen Entwurf um, indem er auf den 1848er Entwurf zurückgriff.
Im Laufe des folgenden Jahres führte das Hin und Her zwischen von Linde, dem Fürsten, dem Landesverweser und den Landständen zu Kompromissen. In den Rechten der Volksvertretung blieben die Landstände weitgehend unnachgiebig.
 
Am 2. September 1862 nahm der landständische Landtag die vereinbarte Verfassung an. Mit der Unterzeichnung durch Fürst Johann II. auf Schloss Eisgrub am 26. September 1862 trat die neue konstitutionelle Verfassung in Kraft.
 
Stellung des Fürsten in der Verfassung Betrachten wir die Volksvertretung, wie sie 1862 geregelt wurde: Das monarchische Prinzip, das Übergewicht des Fürsten gegenüber dem Volk und dessen Vertretung, ist gewahrt: § 2 sagt deutlich: «Der Landesfürst... vereinigt in sich alle Rechte der Staatsgewalt.» In der Ausübung dieser Staatsgewalt war der Fürst an die Verfassungsbestimmungen gebunden, insbesondere an die Mitwirkungsrechte der Volksvertretung. Der 15köpfige Landtag vertrat als «gesetzmässiges Organ der Gesamtheit der Landesangehörigen» das Volk gegenüber der Regierung (§ 39). Drei Mitglieder des Landtages wurden vom Fürsten ernannt. Nach der in der Verfassung von 1862 enthaltenen Wahlordnung (§§ 55-88) wählte das Volk in indirekter Wahl: In jeder Gemeinde erkoren die Wahlberechtigten zwei Wahlmänner pro 100 Einwohner. Die Wahlmännerversammlung wählte darauf die zwölf Volksvertreter. Das Land bildete sonach einen einzigen Wahlkreis, Gemeinden und Landschaften waren in der Wahlmännerversammlung proportional zu ihrer Einwohnerzahl vertreten.
 
Rechte des Landtages in der Verfassung Der Landtag hatte mit dem Fürsten theoretisch gleichen Anteil an der Gesetzgebung. Ohne Mitwirkung und Zustimmung des Landtages konnte kein Gesetz zustande kommen; der Landtag besass wie der Fürst das Recht der Gesetzesinitiative; der Zustimmung des Landtages unterlagen alle Steuern und Abgaben sowie die Aushebung des Bundeskontingentes. Ebenso waren Staatsrechnung und Budget der Prüfung und Zustimmung durch den Landtag vorbehalten. An der auswärtigen Gewalt war der Landtag insofern beteiligt, als wichtige Staatsverträge die Zustimmung des Landtages erforderten.
 
Die vom Fürsten ernannte Regierung setzte sich aus dem Landesverweser als Regierungschef, zwei auf 6 Jahre aus der liechtensteinischen Bevölkerung genommenen «Landräthen» und dem Regierungssekretär zusammen.
 
Die neue konstitutionelle Verfassung unterschrieben von Fürst Johann II. (1840 - 1929) und Landesverweser Karl von Hausen (1823 - 1889). (26.11.1862)
Konstitutionelle Monarchie (1862-1921 )Kurz nach dem Regierungsantritt von Fürst Johann II. begann ein Verfassungskomitee, dem auch zwei Liechtensteiner angehörten, mit der Ausarbeitung der konstitutionellen Verfassung.
 
Am 26. September 1862 erliess Fürst Johann II. die neue konstitutionelle Verfassung des Fürstentums, die für die damalige Zeit recht fortschrittlich war.
Sie enthielt bereits einen umfangreichen Grundrechtskatalog. Damit war in Liechtenstein der Übergang vom Absolutismus zum Konstitutionalismus aufgrund freier Vereinbarung zwischen Fürst und Volk vollzogen.
 
Der Fürst blieb zwar Inhaber der Staatsgewalt war aber durch festgelegte Mitwirkungsrechte der Volksvertretung, der Regierung und der Richter und durch die Verfassungsgarantien in seinen Vollmachten beschränkt.
 
Die Volksvertretung bestand aus zwölf Mitgliedern, die vom Volk indirekt über Wahlmänner gewählt wurden, und drei Abgeordneten, die der Fürst bestimmte. Dieser Landtag war an der Gesetzgebung der Aussenpolitik und an der Gestaltung der Staatsfinanzen entscheidend beteiligt.
 
Die Regierung bestand aus dem Landesverweser, zwei liechtensteinischen Landräten und dem Regierungssekretär.
Die Regierungsmitglieder wurden vom Fürsten ernannt. 
 
Das ehemalige "Ständehaus", zwischen dem Landesmuseum und dem "Engländerbau". (Westfassade nach Plänen von Peter Rheinberger um 1866)
Wie sah das Verhältnis zwischen Landtag, Fürst und Regierung aus? Bei der Aufgeschlossenheit, Grosszügigkeit und politischen Zurückhaltung von Fürst Johann II., der von 1859 bis 1929 regierte und zwei Verfassungen gab, erstaunt das immer gute Verhältnis zwischen Landtag und Fürst nicht. Dabei nahm der Fürst seine legislativen Rechte durchaus wahr, indem er gelegentlich einem Landtagsbeschluss die Sanktion (Genehmigung) versagte. Der Landtag hatte allerdings in erster Linie mit der Regierung, das heisst mit dem Landesverweser zu tun, der regelmässig ein vom Fürsten bestellter Jurist oder Verwaltungsfachmann aus österreichischem Adel war. Die nebenamtlichen liechtensteinischen Regierungsmitglieder, die zwei Landräte, wurden wenig zur Regierungsarbeit herangezogen.
 
Wie die Initiative und das Referendum in die Verfassung kamen 1917/18 begann in Liechtenstein erneut eine Zeit der Weiterentwicklung von Verfassung, Volksvertretung und Volksrechten, eine Zeit, die wieder revolutionäre Züge trug. Es entsprach ganz der Logik der stärker aufkommenden demokratischen Idee, dass 1918 die indirekte Wahl zum Landtag durch die direkte abgelöst, die Kontrolle der Regierung gesucht, die Herabsetzung des Wahlalters von 24 auf 21 Jahre angestrebt und schliesslich 1921 mit Initiative und Referendum Volksabstimmungen eingeführt wurden. Wiederum erwies sich gerade die Volksvertretung als Instrument der Veränderung. In den letzten Tagen des Ersten Weltkrieges griff überall in Europa die Revolution um sich, sie stürzte unter anderem die deutsche und die österreich-ungarische Monarchie, und ihre Wogen schwappten auch nach Liechtenstein über. Am 7. November 1918 setzte der liechtensteinische Landtag den ungeliebten fürstlichen Landesverweser von Imhof kurzerhand ab und ernannte ein dreiköpfiges Komitee, das provisorisch die Regierung führte. Diesen klar verfassungswidrigen Putsch fing der beliebte Fürst Johann II., der seit 60 Jahren regierte, geschickt auf, indem er auf die Begehren des Landtages einging und das Land auf den Weg der Verfassung zurückführte.
 
Der Übergang zu einer neuen politischen Ordnung, wie sie die Verfassung von 1921 besiegeln sollte, gelang, ohne wie anderswo die gewachsenen Grundlagen des Staates zu gefährden.