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Staatsaufgaben

Das Gemeinwohl – ein politischer Auftrag

Der Begriff «Gemeinwohl» bezeichnet Grundwerte des Zusammenlebens wie Menschenwürde, Freiheit, Gleichheit, Rechtsstaatlichkeit, die in der liechtensteinischen Verfassung festgeschrieben sind. (Staatsfeiertag am 15. August auf der Schlosswiese in Vaduz)
«Das öffentliche Wohl soll das oberste Gesetz sein !» Diese Idee der Volkswohlfahrt als Maxime für ein Staatswesen hat der römische Politiker M. T. Cicero bereits vor 2000 Jahren formuliert: «Salus populi suprema lex esto!»

«Die oberste Aufgabe des Staates ist die Förderung der gesamten Volkswohlfahrt», – So heisst es im Artikel 14 der liechtensteinischen Verfassung, und ähnlich wird die Hauptaufgabe eines Staates in den meisten Verfassungen formuliert. Begriffe wie
Volkswohlfahrt oder Gemeinwohl werden so oft verwendet, dass man glauben könnte, dass sie eine genau definierte Grösse darstellen. Das stimmt jedoch nicht: Ein Blick in die Geschichte zeigt, dass unter «Gemeinwohl» immer wieder etwas anderes verstanden wurde.
 
Minnesänger aus dem St. Galler Rheintal. Eine der bekanntesten Abbildungen aus der Manessischen Liederhandschrift. In Schatten eines Rosenstrauchs liegt  der Ritter im Schoss der geliebten Frau. Ritter waren Reiterkrieger, sie wurden vom König mit Landbesitz belehnt, der ihnen den Lebensunterhalt sicherte. Als Lehensmänner waren sie dem König zur Treue und zum Kriegsdienst verpflichtet. Idealerweise sollten die Ritter ihr Schwert und ihr Leben auch zum Wohle der Mitmenschen zum Schutz der Armen und Schwachen einsetzen. (Briefmarke (1961) Sonderausgabe "Minnesänger" (Nr. 409). Sie Zeigt den Minnesänger Konrad von Altstätten, Wert: 1 Franken)
Antike und MittelalterIn der Antike und der darauf basierenden christlichen Lehre des Mittelalters war das Gemeinwohl die Grundidee politischen Denkens und Handelns. Indem der Staat das Gemeinwohl als oberste Aufgabe betrachtete, sorgte er für das nach aussen sichtbare Wohl seiner Bürger und rechtfertigte zugleich seine Existenz.
Mit dem Selbständigkeitsanspruch der Staaten seit dem 15. Jahrhundert wurde das Gemeinwohl nicht mehr auf den einzelnen Bürger bezogen, sondern auf den Staat selber. Das
Wohl des Staates (die Staatsraison) stand im Mittelpunkt.
 
Spottblatt auf Meinungs-, Presse- und Redefreiheit (Karikatur Nürnberg 1815 - 1848)
Absolutismus und AufklärungIm Absolutismus bestimmte der Monarch, was Gemeinwohl war und was nicht. Die Aufklärung wehrte sich zwar gegen eine solch egoistische Auffassung vom Gemeinwohl, bei der ein einzelner bestimmte, was für die Allgemeinheit von Vorteil sei. Eine allgemein gültige Definition, was Gemeinwohl sei, gelang aber auch den Aufklärern des 18. Jahrhunderts nicht.
 
Es ist eine Grunderfahrung, dass die menschliche Person ihre Freiheit, ihre Anlagen und ihre Interessen nur in der Gemeinsamkeit mit der Gesellschaft zu realisieren vermag. Die Zielvorstellungen und Leitideen bezeichnet man als Werte. Diejenigen Werte, an denen die Glieder einer Gesellschaft um deren Existenz willen unbedingt festhalten müssen, kann man als Grundwerte bezeichnen.
Grundwerte pluralistischer Gesellschaften Auch die heutige Zeit mit ihren vielschichtigen politischen Formen kann nicht verbindlich festlegen, was man unter Gemeinwohl zu verstehen hat. Moderne Demokratien und auch die liechtensteinische Verfassung erklären aber bestimmte Kernpunkte menschlichen Zusammenlebens (wie z.B. Menschenwürde, Freiheit, Gleichheit, das Prinzip der Rechtsstaatlichkeit) als Grundwerte, von denen die eigentlichen Staatsaufgaben abgeleitet werden.
Die Orientierung auf das Gemeinwohl hin ist eine unverzichtbare Grundlage für jedes staatliche Handeln. Da es in pluralistischen Gesellschaften keine allgemein gültige Definition von Gemeinwohl geben kann, muss eine Gesellschaft immer neu die Frage diskutieren und klären: Wer gehört zur Gemeinschaft, deren Wohl angesprochen wird, und inwiefern werden Aussenstehende durch eine bestimmte Festlegung des Begriffs  «Gemeinwohl» ausgeschlossen oder negativ getroffen? Verwendet wird der Begriff «Gemeinwohl» allgemein in Verbindung mit Fragen politischer, sozialer und wirtschaftlicher Gerechtigkeit.
 



Video: Fürst Franz Josef Unterzeichnung Wechsel vom armen Bauernland zum wohlhabenden Industriestaat. (1984)