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Die Rechtspflege

Das Strafverfahren

Der Beschuldigte muss nicht seine Unschuld beweisen - das Gericht muss die Schuld beweisen, ansonsten ist die Anklage zurückzuziehen.
In einem Strafverfahren müssen die Richter verschiedene Grundsätze der Strafprozessordnung berücksichtigen. Ein Strafverfahren wird mit einem Urteil abgeschlossen.

Um den Ablauf eines Strafprozesses zu verdeutlichen, sollen vorerst einige Grundsätze des Strafprozesses erklärt werden. Sie gelten im Grossen und Ganzen für die Durchführung des gesamten Verfahrens bis zur rechtskräftigen Entscheidung («Urteil»). Eine Entscheidung ist dann rechtskräftig, wenn gegen sie kein ordentliches Rechtsmittel mehr ergriffen werden kann.

Keine Straftat ohne Gesetz – «nullum crimen sine lege» Diesem Grundsatz entsprechend darf eine Tat durch ein Gericht nur bestraft werden, wenn diese Tat durch ein Gesetz ausdrücklich mit Strafe bedroht ist. Auch darf nach diesem Grundsatz durch den Gesetzgeber ein bereits abgeschlossenes Handeln nicht im Nachhinein unter Strafe gestellt werden. Eine schwerere als die zur Zeit der Begehung angedrohte Strafe darf nicht verhängt werden. Der Einzelne muss sich darauf verlassen können, welches Handeln mit Strafe bedroht ist, damit er sein Verhalten dementsprechend ausrichten kann (Rechtssicherheit). Der Grundsatz keine Strafe ohne Gesetz ist im liechtensteinischen Strafgesetzbuch (StGB) in § 1 festgelegt und auch in der Verfassung (Art. 33).

Das Anklageprinzip Dies bedeutet nichts anderes als der im Volksmund bekannte Grundsatz: «Wo kein Kläger, da kein Richter». Mit anderen Worten, das Gericht kann nur jemanden für eine Straftat zur Rechenschaft ziehen, wenn der Staatsanwalt oder unter Umständen der Geschädigte eine Bestrafung beantragt oder verlangt.

Im Zweifel für den Angeklagten – «in dubio pro reo» Um den Beschuldigten verurteilen zu können, muss das Gericht überzeugt sein, dass er etwas getan hat, was das Gesetz unter Strafe stellt bzw. mit Strafe bedroht. Bestehen beim Gericht darüber Zweifel, so muss der Beschuldigte freigesprochen werden. Nach diesem Grundsatz muss dem Beschuldigten die begangene Tat bewiesen werden. Der Beschuldigte hat nicht seine Unschuld zu beweisen.
 
Der Richter stützt sein Urteil auf die Tatsachen, die während der Verhandlung zur Sprache gekommen sind.
Der Grundsatz der Mündlichkeit Der Richter darf im Strafprozess nur nach den Tatsachen entscheiden, über die in der Verhandlung gesprochen wurde.

Der Grundsatz der Unmittelbarkeit Nach diesem Grundsatz darf nur derjenige Richter über Schuld oder Unschuld des Beschuldigten entscheiden, der im Beweisverfahren die Beweise aufgenommen hat, so z.B. die Vernehmung des Beschuldigten und von Zeugen. Es darf also kein anderer Richter urteilen, der nicht dem Verfahren beigewohnt hat.

Der Grundsatz der Freiheit der BeweiswürdigungDer Richter muss sich am Ende der Verhandlung darüber klar werden, welche Tatsachen bewiesen wurden. Bei widersprüchlichen Aussagen ist er z. B. frei in seiner Entscheidung, ob er dem Zeugen oder dem Beschuldigten mehr glaubt. Er hat dies aber in seinem Urteil zu begründen, d.h. er muss darstellen, warum er wem glaubt und wem eben nicht glaubt.

Der Grundsatz der Öffentlichkeit Dieser Grundsatz bedeutet, dass jede erwachsene Person, die unbewaffnet ist, dem Verfahren beiwohnen darf. Dies ist auch eine Kontrolle, dass das Verfahren ordnungsgemäss vonstatten geht. Auch das Urteil am Ende der Strafverhandlung muss öffentlich verkündet werden. Der Richter hat über Schuld und Strafe zu entscheiden und dies auch unmittelbar zu begründen. "Öffentlich" heisst hier aber nicht, dass Zuhörer anwesend sein müssen, sondern dass es erwachsenen Personen möglich ist, als Zuhörer die Strafverhandlung zu besuchen.

Der Untersuchungsgrundsatz Nach diesem Grundsatz ist es Pflicht des entscheidenden Richters, sowohl die belastenden als auch die entlastenden Argumente und Tatsachen bei der Urteilsfindung zu ermitteln bzw. zu berücksichtigen.