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Die Verfassung – Das Grundgesetz

Entstehung der Verfassung von 1921

Fürst Johann II. (1840 - 1929) hat zwei moderne Verfassungen erlassen, vor allem aber dem liechtensteinischen Volk eine Fülle von Wohltaten erwiesen, so dass er damals wie heute im liechtensteinischen Bewusstsein als Johann der Gute weiterlebt. (Gemälde von John Quincy Adams (1874 - 1933) um 1908)
Im Zuge der aufkommenden demokratischen Gesinnung nach dem Ersten Weltkrieg wurde in Liechtenstein der konstitutionelle monarchistische Verfassungsstaat durch den monarchistisch-demokratisch-parlamentarischen Rechtsstaat abgelöst.
 
Die äusseren Umstände, die zur Entstehung der geltenden Verfassung vom 5. Oktober 1921 geführt haben, liegen im Wesentlichen in den Auswirkungen des Ersten Weltkrieges von 1914-1918, welche die Völker Europas sowohl in wirtschaftlicher als auch in politischer Beziehung erfassten. Sie finden vor allem ihren Niederschlag in der Neuordnung Europas, insbesondere aber in der Neunormierung der Staatsverfassungen. Selbst ein so kleiner und damals dem weltpolitischen Geschehen fern stehender Staat wie Liechtenstein ist von dieser Entwicklung nicht unbeeinflusst geblieben. Das Volk von Liechtenstein wurde von der Neuorientierung miterfasst und forderte nach dem Zusammenbruch Österreich-Ungarns eine neue Verfassung.
 
«Liechtenstein den Liechtensteinern» Bei der immer häufiger werdenden Bewegung gegen die vom Fürsten Johann II. verliehene Verfassung vom 26. Oktober 1862 war von entscheidender Bedeutung, dass der Fürst nicht dauernd im Lande lebte, die Verwaltung von einem vom Fürsten ernannten Landesverweser geführt wurde und die oberen Gerichtsinstanzen sich ausserhalb des Landes befanden, so das Oberlandesgericht in Innsbruck und das Appellationsgericht in Wien. Das Schlagwort «Liechtenstein den Liechtensteinern» fand dabei immer mehr Auftrieb. Dazu kam die auf indirekte Wahlen (zwölf Mitglieder) und Ernennung durch den Landesfürsten (drei) beruhende Zusammensetzung des Landtages, die mit den in anderen Staaten geltenden demokratischen Grundsätzen nicht in Einklang stand.
Das Volk, von der Zeitströmung erfasst, forderte eine neue, zeitgemässe Verfassung und eine aussenpolitische Neuorientierung, die schliesslich zur Abkehr von Österreich und zur Hinwendung zur Schweiz führte.
 
Parteilisten ersetzen das Wahlmännersystem Innenpolitisch wirkte sich diese Volksbewegung in grossem Umfange aus, als mit Landesgesetzblatt 1918 Nr. 4 die direkte Wahl der Abgeordneten über Parteilisten statt des bisherigen Wahlmännersystems eingeführt wurde.
 
Das Misstrauensvotum löst den Regierungssturz ausDas in der Landtagssitzung vom 7. November 1918 gegen den Landesverweser von Imhof eingebrachte Misstrauensvotum brachte den Regierungssturz und die Bildung eines Regierungsausschusses. Die Änderung der Verfassung steht mit diesen Vorgängen auf das engste in Verbindung.
 
Ruf nach neuer Verfassung und Beteiligung des Volkes an der Regierung Diese sehr friedliche Revolution bewirkte jedoch eine tief greifende Umgestaltung der liechtensteinischen Institutionen: Verlangt wurden die Ausarbeitung einer demokratischen Verfassung, die Beteiligung des Volkes an der Regierung und ein gebürtiger Liechtensteiner als Regierungschef. Die Abgeordneten sollten ausnahmslos vom Volk gewählt und die Gerichte zur Mehrheit mit Liechtensteinern besetzt werden. Auch sollte Vaduz Tagungsort der Gerichte werden.
 
Prinz Karl, der Neffe von Fürst Johann II., wurde 1918 Landesverweser, und ein gewählter Ausschuss begann mit Bewilligung des Fürsten die Arbeit zu einer Verfassungsrevision. (Foto aus dem 20. Jahrhundert)

Die Wohltätigkeit Johann II. zahlt sich in der Krise aus Niemand aber wäre auf den Gedanken gekommen, den Fürsten abzusetzen und die Republik auszurufen. Im Gegenteil, Johann II. war ein Wohltäter des Landes, dessen sechzigjähriges Regierungsjubiläum am 12. November 1918 gefeiert wurde. Seine Untertanen brachten ihm eine tiefe Ehrfurcht entgegen. Das Ideal der Liechtensteiner beschränkte sich auf ein «Volksfürstentum».
 
Fürst Johann II. bestellte im Dezember 1918 seinen Neffen Prinz Karl zum Landesverweser, und der provisorische Vollzugsausschuss trat zurück. Die Krise war somit ohne Schaden für die Monarchie beendet, und ein bereits am 17. Dezember 1918 gewählter Ausschuss begann mit Bewilligung des Fürsten die Arbeit zur Verfassungsrevision.
 
Vom Landtag angenommen - vom Landesfürsten sanktioniert Der von Dr. Peer am 8. März 1921 im Landtag vorgelegte Entwurf, der im wesentlichen eine Verbesserung der 1862er Verfassung durch demokratische Einrichtungen der Schweiz (Referendum, Initiative, Kollegialsystem etc.) sein sollte, berücksichtigte weitestgehend die Volkswünsche. Mit minimalen Änderungen nahm der Landtag am 24. August 1921 diesen Entwurf einstimmig an.
Die fürstliche Sanktion erfolgte am 2. Oktober 1921. Nach der Unterzeichnung durch den bevollmächtigten Prinzen Karl am 5. Oktober 1921, am 81. Geburtstag des Fürsten Johann II., trat die neue Verfassung mit ihrer Kundmachung im Landesgesetzblatt am 24. Oktober 1921 in Kraft. Der bisher konstitutionelle monarchistische Verfassungsstaat wurde durch den monarchistisch-demokratisch-parlamentarischen Rechtsstaat abgelöst.
 
Dem Fürstenhaus treu und dankbar All diese Ereignisse vollzogen sich in milden Formen ohne Gewalttätigkeiten. Die monarchische, dem Fürstenhaus treu ergebene und dankbare Einstellung der Bevölkerung zeigte sich so stark eingewurzelt, dass die Monarchie nicht gestürzt wurde, wenn auch die Volksrechte eine durchgreifende und weitgehende Vermehrung erfuhren.
Das Fürstentum Liechtenstein blieb, nicht zuletzt auch infolge der geschickten Politik des damaligen Fürsten, als einzige im deutschen Sprachgebiet noch bestehende Monarchie erhalten.
Der Schweizerische Bundesrat konnte in seiner Botschaft vom 1. Juni 1923 an die Bundesversammlung anlässlich des Zollanschlussvertrages mit Liechtenstein betonen, dass das Land sich eine moderne Verfassung auf demokratischer und parlamentarischer Grundlage gegeben habe, «ausgestattet mit demokratischen Rechten, wie (sie) wohl kein anderes monarchisches Staatswesen und auch manche Republik nicht besitzt». 
 
Erstmals in der Geschichte des Landes brachte die Verfassung von 1921 ein gleichberechtigtes Nebeneinander von Fürst und Volk.
Mit Kundmachung im Landesgesetzblatt am 24. Oktober 1921 trat die unterzeichnete Verfassung in Kraft. Der bisher konstitutionelle monarchistische Verfassungsstaat wurde durch den monarchistisch-demokratischparlamentarischen Rechtsstaat abgelöst. (5.10.1921)

Die Demokratie als Einflussnahme des Volkes auf die Regierung Die Verfassung kann in ihrer Gesamtheit als sehr demokratisch und fortschrittlich bezeichnet werden. Erstmals in der Geschichte des Landes brachte sie ein gleichberechtigtes Nebeneinander von Fürst und Volk und damit auch in der Praxis eine echte Einflussnahme des Volkes auf die Regierung; die Einflussnahme des Volkes auf die Gesetzgebung war schon seit 1862 gesichert.

Die Merkmale der Verfassung von 1921 Der grösste Unterschied zur Verfassung von 1862 betrifft die Volksrechte. Nach der Verfassung von 1862 besass der Landesfürst allein das Recht zur Einberufung des Landtags. 1921 wurde das Volk dem Fürsten in dieser Beziehung gleichgestellt. Der Ausbau der Volksrechte kam vor allem im Initiativ- und Referendumsrecht der Wahlberechtigten zum Ausdruck.
Ein wesentliches Merkmal der Verfassung von 1921 ist ferner darin zu erblicken, dass sie den Geist des Rechtsstaates erkennen lässt. Die gesamte Verwaltung muss nach Rechtsgrundsätzen geführt werden. Der Einzelne ist nicht mehr nur ein der Verwaltung Unterworfener, ihr Untertan, sondern er ist Untertan des Gesetzes und hat zugleich derselben Verwaltung gegenüber subjektive Rechte und anerkannt rechtlich geschützte Interessen.
Der Landtag beschloss bereits 1922 eine Herabset­zung des aktiven und passiven Wahlalters von 24 auf 21 Jahre. Frauen blieben vom Wahlrecht ausgeschlossen.
 
Verfassungsänderungen im Sinne des Zeitgeistes Bis zur Jahrtausendwende wurde die Verfassung mehrmals abgeändert. Von Bedeutung sind die Einführung des Wahl- und Stimmrechtes für Frauen 1984, die Erhöhung der Anzahl der Landtagsabgeordneten auf 25 im Jahre 1988 und die Einführung der Landtagsuntersuchungskommission im Jahre 1989. Zu erwähnen sind ebenfalls die Einführung des Staatsvertragsreferendums 1992 und die Herabsetzung des aktiven und passiven Wahlalters auf 18 Jahre durch das LGBl. 2000 Nr. 55.

Grundlegende Verfassungsänderungen 2003 Im Jahre 2003 erfuhr die Verfassung von 1921 durch eine Volksabstimmung einige Veränderungen: Wesentlich verändert wurde die Verfassung hinsichtlich der Richterbestellung, dem Notstandsrecht, dem fürstlichen Sanktionsrecht, der Amtsenthebung der Regierung und der Erhebung des Fürstenhauses zum Verfassungsorgan im Zusammenhang mit dessen Kompetenz zum Erlass des fürstlichen Hausgesetzes.
Die Befugnisse des Staatsgerichtshofes wurden eingeschränkt, indem seine Kompetenz zur Verfassungsauslegung ersatzlos gestrichen wurde. Neu in die Verfassung eingefügt wurde ein Selbstbestimmungsrecht der Gemeinden, ein Misstrauensantragsverfahren gegen den einzelnen Fürsten, ein Monarchieabschaffungsverfahren und die Nichtunterstellung des Fürsten und seines Stellvertreters unter die liechtensteinische Gerichtshoheit.