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Die Europapolitik

Die Europapolitik

Auf dem Weg zu den Vereinigten Staaten von Europa

Sobald er über den Gipfeln war, konnte er weit nach Europa hineinsehen?
Der Gedanke eines vereinigten Europa war früher ein Traum der Philosophen und Visonäre. Nach dem Zweiten Weltkrieg entstand unter Initiative mutiger Politiker eine neue Ordnung für Westeuropa, die im Interesse aller Völker und Staaten  einen dauerhaften Frieden schuf.

Europa ist im Begriff, auf einen Binnenmarkt hinzuarbeiten, der letztlich den ganzen Kontinent umfassen soll.  In diesem Zusammenhang wird immer wieder der frühere sowjetische Staatspräsident Michail Gorbatschow zitiert, der das Bild vom «Europäischen Haus» 1987 wieder aufgegriffen hat und zu einem der erfolgreichsten sprachlichen Instrumente in der Bemühung um Abrüstung und Vertrauensbildung zwischen den Blöcken machte:
 
Unterzeichnung des Zwei-Plus-Vier-Vertrages in Moskau 
v.l.n.r.: Roland Dumas (Frankreich), Eduard Schewardnadse (UdSSR), James Baker (USA), Michail Gorbatschow (UdSSR), Hans-Dietrich Genscher (Bundesrepublik Deutschland), Lothar de Maizière (DDR), Douglas Hurd (Grossbritannien). (Foto: 12.9.1990)
«Europa ist unser gemeinsames Haus. Dieses Bildwort fiel mir während eines Gesprächs ein. Schon lange hatte ich nach einer solchen Formulierung gesucht. Ich konnte die mehrfarbige, einem Flickenteppich ähnliche politische Landkarte Europas nicht mehr akzeptieren. Als ich über die gemeinsame europäische Kultur nachdachte, wurde mir immer stärker bewusst, wie künstlich und wie kurzlebig die gegenwärtige Konfrontation der Blöcke und die veraltete Vorstellung vom «Eisernen Vorhang» sind. Möglicherweise kam mir auf diesem Weg die Idee des gemeinsamen Hauses in den Sinn. Europa ist in der Tat ein gemeinsames Haus. Natürlich hat jedes Land seine eigenen Probleme und möchte seine Eigenständigkeit bewahren und seinen Traditionen folgen.
 
Man könnte daher sagen: Das Haus ist ein gemeinsames, das ist richtig, aber jede Familie hat darin ihre eigene Wohnung, und es gibt auch verschiedene Eingänge. Doch nur zusammen, gemeinschaftlich können die Europäer ihr Haus bewahren, es vor Feuer und anderen Katastrophen schützen, es besser und sicherer machen und es in einwandfreiem Zustand halten.»
(Aus: Wege nach Europa, Spuren und Pläne) 
 
Winston Churchill (britischer Premierminister von 1940-1945 und 1951-1955) hält auf dem Münsterhof und in der Universität eine Rede über die Schaffung eines Vereinigten Europas. (Foto: 1946, Zürich)
Sir Winston Churchills «Rede an die akademische Jugend» Sir Winston Churchill, britischer Premierminister (1940-1945 und 1951-1955), gehörte zu den ersten Staatsmännern, die nach den Erfahrungen des Zweiten Weltkriegs die Notwendigkeit der «Vereinigten Staaten von Europa» erkannt hatten. Er war davon überzeugt, dass nur ein geeintes Europa die Garantie für einen dauerhaften Frieden bieten kann. Das Bild des «europäischen Hauses" kommt seiner Vorstellung eines «Vereinigten Europas» nahe, wie er es am 19.9.1946 in seiner berühmten «Rede an die akademische Jugend» an der Züricher Universität skizziert hat:

«... Wir müssen etwas wie die Vereinigten Staaten von Europa schaffen. Nur so können Hunderte von Millionen schwer arbeiten der Menschen wieder die einfachen Freuden und Hoffnungen zurückgewinnen, die das Leben lebenswert machen. Das Verfahren ist einfach. Was wir  benötigen, ist der Entschluss von Hunderten von Millionen Männern und Frauen, Recht statt Unrecht zu tun und als Lohn Segen statt Fluch zu ernten ... Wenn zu Anfang auch nicht alle Staaten Europas willens oder in der Lage sind, der Union beizutreten, müssen wir uns dennoch ans Werk machen, diejenigen Staaten, die es wollen und können, zusammenzufassen und zu vereinen ... (Aus der Zürcher-Rede Winston Churchills 1946) 
Auf dem Weg zur europäischen IntegrationDie Idee eines politisch geeinten und vor allem friedlichen Europa sind wesentlich älter und wurde durch zwei Weltkriege zunichte gemacht. Der Zusammenschluss der europäischen Staaten sollte verhindern, dass Europa  jemals wieder von den Schrecken und Zerstörungen eines Krieges heimgesucht wird.
Die folgende Zeittafel veranschaulicht einige wichtige Stationen auf dem Weg zur europäischen Integration:

   
19. 9. 1946  In seiner Zürcher Rede fordert Winston Churchill die Bildung der Vereinigten Staaten von Europa. 
5. 6. 1947  Mit dem Marshall-Plan erhält Europa ein wirtschaftliches Hilfsprogramm, an das jedoch die Bedingung einer gemeinsamen Wirtschaftspolitik geknüpft ist.
16. 4. 1948  Um den Marshall-Plan durchzuführen, entsteht die Organisation für Europäische Wirtschaftliche Zusammenarbeit (Organization für European Economic Cooperation, OEEC, ab 1961 OECD = Organization for Economic Cooperation and Development).
18. 4. 1951  Frankreich, Bundesrepublik Deutschland, Italien, Belgien, Niederlande und Luxemburg unterzeichnen den Vertrag über die Montanunion oder EGKS = Europäische Gemeinschaft für Kohle und Stahl.
25. 3. 1957  Die sechs Mitgliedstaaten der Montanunion unterzeichnen den Vertrag zur Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (EWG) und Atomgemeinschaft (EAG) in Rom (daher auch «Römer Verträge» genannt).  
4. 1. 1960  Weil in den Jahren 1957/58 eine Grosse Freihandelszone am Widerstand Frankreichs scheitert, gründen Grossbritannien, Schweden, Norwegen, Dänemark, Österreich, Portugal und die Schweiz eine Kleine Freihandelszone: EFTA (= European Free TradeAssociation).
1. 1. 1973  Mit dem Beitritt von Dänemark, Grossbritannien und Irland wird das «Europa der Sechs» auf neun Mitglieder erweitert. Die EFTA wird dadurch um zwei Staaten reduziert.
1. 1. 1981  Griechenland wird als zehntes Mitglied in die EG aufgenommen (zweite Erweiterung).
9. 4. 1984  In Luxemburg findet das erste Treffen von Ministern der EG und ihrer Mitgliedstaaten sowie der EFTA-Staaten statt. Zum ersten Mal wird davon gesprochen, gemeinsam «einen dynamischen europäischen Wirtschaftsraum» zu schaffen. Das ist die Idee des zum Schlagwort gewordenen Begriffs «Europäischer Wirtschaftsraum» EWR.
14. 6. 1985  In einem Weissbuch der EG-Kommission wird die Verwirklichung des Binnenmarktes bis Ende 1992 dargelegt.
1. 1. 1986  Der Beitritt Spaniens und Portugals erweitert die EG zu einem «Europa der Zwölf».
1. 7. 1987  Mit dem Inkrafttreten der Einheitlichen Europäischen Akte (EEA) erfolgt die erste grosse Revision der EG-Verträge. Zwei Ziele sollen mit der EEA erreicht werden: die rechtliche Absicherung des Binnenmarktkonzeptes und die Förderung der Europäischen Politischen Union.
2. 2. 1988  An einem Ministertreffen zwischen EG und EFTA in Brüssel werden Fragen zum Binnenmarkt erörtert.
ab 1990  EG und EFTA arbeiten intensiv am Vertragsprojekt für einen gemeinsamen: Binnenmarkt. Einer der Hauptdiskussionspunkte ist das Mitbestimmungsrecht der EFTA-Länder.
1992  Verträge von Maastricht. Ziele: Verwirklichung der Politischen Union, Wirtschafts- und Währungsunion. Mit den Verträgen von Maastricht wird die Europäische Union begründet.
2. 5. 1992  Das EWR-Abkommen wird in Porto (Portugal) unterzeichnet.
1. 1. 1994  Das EWR-Abkommen tritt zwischen den damaligen EU-Mitgliedstaaten (Belgien, Deutschland, Frankreich, Italien, Luxemburg, Niederlande, Grossbritannien, Dänemark, Irland, Griechenland, Spanien, Portugal) und den EFTA-Staaten Österreich, Finnland, Island, Norwegen und Schweden in Kraft.
1. 1. 1995  Österreich, Schweden und Finnland treten der EU bei.
 1. 5. 1995  Liechtenstein wird Mitglied im EWR.
1. 5. 1999  Der Amsterdamer Vertrag tritt in Kraft. Er legt fest, dass Fragen der Grenzkontrolle, der Einwanderungs- und der Asylpolitik im Rahmen der Gemeinschaftsstrukturen behandelt werden.
1. 1. 2002  Die einheitliche Währung der EU, der Euro, wird eingeführt. Euro-Banknoten und -Münzen ersetzten die nationalen Währungen in zwölf der fünfzehn Mitgliedstaaten der Europäischen Union.
1. 2. 2003  Der Vertrag von Nizza tritt in Kraft. Dieser Vertrag legt neue Regeln für die Grösse und Funktionsweise der EU-Organe fest. 
1. 5. 2004  Die EU wird um zehn Länder erweitert (Estland, Lettland, Litauen, Malta, Polen, Slowakei, Slowenien, Tschechien, Ungarn und Zypern).
17./18. 6. 2004 Die 25 Mitgliedstaaten einigen sich auf den Verfassungsvertrag.
 1. 1. 2007  Erweiterung der EU durch den Beitritt von Rumänien und Bulgarien.
   
 
Robert Schuman, französischer Aussenminister (von 1948 - 1952). Wegbereiter der europäischen Integration und deutsch-französischen Aussöhnung. (Foto: 9.5.1950)
Ein vereintes Europa als Modell für den Frieden
Robert Schuman bereitete als französischer Außenminister den Weg zur Schaffung der Europäischen Union vor. Der folgende Vorschlag, den Schumann der internationalen Presse mitteilte, darf ohne Übertreibung als die Geburtsurkunde der Europäischen Union angesehen werden. Am Anfang sollte die deutsch-französische Aussöhnung stehen: Die Europäische Gemeinschaft für Kohle und Stahl:

«Der Friede der Welt kann nicht geschützt werden, wenn nicht schöpferische Massnahmen in einem Mass getroffen werden, das den Gefahren entspricht, welche ihn bedrohen. Der Beitrag, den ein organisiertes und lebendiges Europa zur Zivilisation leisten kann, ist für die Aufrechterhaltung friedlicher Beziehungen unentbehrlich. Frankreich, das seit mehr als zwanzig Jahren Kämpfer für ein vereintes Europa war, hat es stets als wesentliches Ziel angesehen, dem Frieden zu dienen. Solange Europa nicht vereint war, haben wir Krieg gehabt...»
(Aus der Regierungserklärung Robert Schumans als französischer Aussenminister am 9. Mai 1950)