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Die Geschichte des Landtages

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Die Geschichte des Landtages

Die Geschichte des Landtages

Der Landtag nach 1921

Der Landtag (Foto: 1921)
Die neue Verfassung bildete die Grundlage für einen politischen wie wirtschaftlichen Aufschwung im Fürstentum Liechtenstein. Die Verfassung von 1921 baute in Bezug auf den Landtag auf der Verfassung von 1862 auf.
 
Im Februar 1922 fanden die ersten Wahlen nach der neuen Verfassung statt. Die Landtagseröffnungssitzung war am 2. März 1922. Die Bedeutung des neuen Landtages wurde dadurch unterstrichen, dass erstmals ein Mitglied des fürstlichen Hauses den Landtag eröffnete. Als Vertreter des Fürsten Johann II. eröffnete Prinz Franz, Bruder und später auch Nachfolger des regierenden Fürsten, den Landtag mit einer Thronrede. Darin hob er zunächst die Bedeutung der neuen Verfassung hervor, die mit ihren erweiterten Volksrechten eine tragfähige Grundlage für die Entfaltung des politischen und wirtschaftlichen Lebens im Fürstentum bilde.

Die VerfassungsrevisionDie Verfassung von 1921 baute, vor allem in jenen Abschnitten, die den Landtag betrafen, auf der Verfassung von 1862 auf. Der Landtag bestand wie bisher aus 15 Abgeordneten, die nun aber alle vom Volk im Wege des allgemeinen, gleichen, geheimen und direkten Wahlrechtes gewählt wurden. Der Landtag beschloss bereits 1922 eine Herabsetzung des aktiven und passiven Wahlalters von 24 auf 21 Jahre. Frauen blieben vom Wahlrecht ausgeschlossen. Auf fürstliche Abgeordnete wurde verzichtet, da der Landtag eine reine Volksvertretung sein sollte. Ebenso wurde auf die Wahl von stellvertretenden Abgeordneten verzichtet. War ein Abgeordneter bleibend am Erscheinen verhindert, so hatte eine Ergänzungswahl stattzufinden. Bereits seit 1878 entfielen neun Abgeordnete auf das Oberland und sechs auf das Unterland. Dazu kam neu die «Massgabe», dass jede Gemeinde mit wenigstens dreihundert Einwohnern durch einen ihrer Bürger im Landtag vertreten sein musste.

«Regierungschef» statt «Landammann» Die Umschreibung der Kompetenzen des Landtages konnte zum grössten Teil aus der Verfassung von 1862 übernommen werden. Neu waren vor allem die Mitwirkung bei der Bestellung der Regierung und der Gerichte, die verbesserte Kontrolle der Staatsverwaltung, indem die Regierung verpflichtet wurde, einen jährlichen Rechenschaftsbericht zu erstatten, und das Recht zur Erhebung der Anklage gegen Mitglieder der Regierung wegen Verletzung der Verfassung oder sonstiger Gesetze vor dem Staatsgerichtshof.
 
1918 wurden die Abgeordneten erstmals vom Volk direkt gewählt. Erstmals traten zwei Parteien, die Christlichsoziale Volkspartei und die Fortschrittliche Bürgerpartei mit eigenen Wahlvorschlägen bei den Wahlen auf. Seit 1905 tagte der Landtag  in einem Saal im Regierungsgebäude. (Foto: Zu Beginn des 20. Jahrhunderts)
Stärkung des Landtages Dass der Landtag eine reine Volksvertretung sein sollte, wurde dadurch unterstrichen, dass die Wahl des Landtagspräsidenten nicht mehr durch den Landesfürsten bestätigt werden musste. Bei einem Vergleich der beiden Verfassungen bezüglich der Stellung des Landtages überrascht das Ausmass an Kontinuität. Diese kam nicht zuletzt auch darin zum Ausdruck, dass die Geschäftsordnung von 1863 bis 1969 unverändert in Kraft blieb.
Im neuen Landtag wurden die Sitzungen nicht mehr in eine relativ kurze Session zusammengezogen. Der Landtag galt während des grössten Teils des Jahres als konstituiert und konnte während dieser Zeit vom Präsidenten nach Bedarf einberufen werden. Bis 1950 fanden die Eröffnungssitzung in der Regel bereits im Januar oder Februar eines Jahres statt, ab 1950 im März oder April. Für die Schlusssitzung wurden die Abgeordneten normalerweise in der zweiten Hälfte des Monats Dezember eingeladen.
Pro Jahr fanden durchschnittlich zehn Sitzungen statt, wobei einzelne Sitzungen in jüngerer Zeit zwei Tage dauerten.
 
Der Landtag: Landtagspräsident Anton Frommelt, Fürstin Elsa, Fürst Franz I., Regierungschef Josef Hoop, in der hinteren Reihe die Abgeordneten des Landtags (von 1931).
Erhöhung der Zahl der AbgeordnetenEine Frage, die den Landtag immer wieder beschäftigte, war die Erhöhung der Mandatszahl. Seit 1919 wurden zu dieser Frage nicht weniger als fünf Volksabstimmungen durchgeführt, die bis auf die letzte alle negativ ausfielen. 1919 unternahm die Volkspartei einen Vorstoss, um die Zahl der vom Volk gewählten Abgeordneten von 12 auf 15 zu erhöhen. 1945 lehnte das Volk eine Erhöhung auf 21 Abgeordnete hoch ab. 1972 kam wiederum eine Erhöhung auf 21 Abgeordnete zur Abstimmung, diesmal war die Ablehnung relativ knapp. 1984 standen sich zwei Initiativen gegenüber, die sich gegenseitig konkurrenzierten: Die Initiative der VU wollte eine Erhöhung auf 21 Abgeordnete, während die FBP eine Erhöhung auf 25 Abgeordnete anstrebte. Da Stimmzettel mit doppeltem Ja damals ungültig waren, wurde keine der beiden Initiativen angenommen, obwohl sich eine grosse Mehrheit der Stimmberechtigten für eine der beiden Varianten aussprach. Im Januar 1988 stimmten bei einer für liechtensteinische Verhältnisse eher knappen Stimmbeteiligung von 69 Prozent die Stimmbürgerinnen und Stimmbürger einer Erhöhung der Mandatszahl von 15 auf 25 Abgeordnete zu. Der Gesetzesvorschlag sah auch eine Verminderung bei den Stellvertretern vor. Auf jeweils drei Abgeordnete in einem Wahlbezirk sollte einer Partei noch ein Stellvertreter zustehen. Die Stellvertreter sollten in Zukunft nur noch in Delegationen, aber nicht mehr in Kommissionen gewählt werden können.
 
Neues Parlamentsgebäude Ein zentrales Anliegen im Zusammenhang mit der Parlamentsreform war schon seit längerer Zeit der Bau eines eigenen Parlamentsgebäudes, das der staatspolitischen Bedeutung des Landtages einen sichtbaren Ausdruck verleihen sollte. Damit verband sich auch die Chance, dem Gedanken der Demokratie und Gewaltentrennung durch ein eigenes Landtagsgebäude architektonisch Ausdruck zu verleihen.
 
"Der Umbruch". Kampfblatt der Volksdeutschen Bewegung in Liechtenstein (LI LA). Der Leitartikel beginnt mit den folgenden Worten: "Seit Jahren hält die Welt den Atem an über das grosse innere und äussere Aufbauwerk des deutschen Volkes und seines Führers. Wir deutsche Menschen in Liechtenstein."
(Zeitungsausgabe vom 5.10.1940)
Sperrklausel gegen «Volksdeutsche Bewegung in Liechtenstein» Den Parteien wurde durch eine Verfassungsänderung das Recht zugestanden, durch einen Antrag der Fraktion einen Abgeordneten «aus wichtigen Gründen» aus dem Landtag abzuberufen. Das Gesetz über die Einführung des Verhältniswahlrechts (1939) brachte auch eine Sperrklausel von 18 Prozent. Durch die hohe Sperrklausel sollte der Einzug neuer Parteien in das Parlament verhindert werden – eine Bestimmung, die zu diesem Zeitpunkt gegen die Nationalsozialisten gerichtet war.
Nach dem Zweiten Weltkrieg wurden weitere Änderungen im Wahlrecht vorgenommen. 1969 wurde das aktive und passive Wahlalter von 21 auf 20 Jahre herabgesetzt. Seit 2000 stehen die politischen Rechte allen Landesangehörigen zu, die das 18. Lebensjahr vollendet haben. (Art.29 der Verfassung)
 
Stimm- und Wahlrecht für Frauen Von zentraler Bedeutung für die Weiterentwicklung der Volksrechte war die Einführung des Frauenstimm- und -wahlrechts. Erst seit der Verwirklichung dieses Postulats ist das allgemeine und gleiche Stimmrecht, wie es einem zeitgemässen Demokratieverständnis zugrunde liegt, verwirklicht.
Mit der Annahme des Frauenstimmrechts taten sich die Stimmbürger schwer. 1971 und 1973 lehnten sie entsprechende Vorlagen ab. 1976 beschloss der Landtag eine Verfassungsänderung, die es den Gemeinden ermöglichte, durch Gemeindeversammlungsbeschluss das Frauenstimmrecht auf Gemeindeebene einzuführen. Im September 1979 führte Vaduz als erste Gemeinde das Frauenstimmrecht ein. Im dritten Anlauf gelang es darauf 1984, eine Mehrheit der Stimmbürger von der Notwendigkeit des Frauenstimmrechts auf Landesebene zu überzeugen. 1986 nahmen die wahlberechtigten Frauen erstmals an einer Landtagswahl teil.
 
Kandidatenproporz 1973 wurden – ebenfalls auf dem Weg von Volksabstimmungen – zwei Änderungen im Wahlverfahren vorgenommen. Die erste betraf die Einführung des sogenannten Kandidatenproporzes anstelle des Listenproporzes. Gleichzeitig mit dem Kandidatenproporz wurde eine 8%-Sperrklausel eingeführt: Damit können nur Parteien, die mindestens 8% der gültigen Stimmen im ganzen Land erreicht haben, bei der Verteilung der Mandate berücksichtigt werden. 
Dass sich die Stimmbürger gegenüber Veränderungen vorsichtig verhalten, zeigte auch die Ablehnung einer «Mehrheitsklausel». In den Jahren 1975 und 1981 lancierte die FBP zwei Initiativen, die eine Mehrheitsklausel in der Verfassung verankern wollten. Danach sollte eine Part, die in beiden Wahlkreisen zusammen die Mehrheit erzielt, auch im Landtag die Mehrheit der Abgeordneten stellen.
 
Neue Geschäftsordnung Die Bemühungen um eine Landtagsreform führten 1969 zu einer Überarbeitung der Geschäftsordnung, die vor allem eine Klärung organisatorischer Fragen brachte. Während die alte Geschäftsordnung lediglich von «Anträgen» sprach, wurde nun zwischen Initiative, Motion, Postulat, Interpellation und Anfrage unterschieden. 
Von einiger Bedeutung war eine Änderung der Geschäftsordnung im Jahre 1971, die es ermöglichte, dass stellvertretende Abgeordnete in Kommissionen wählbar wurden. Ziel der Änderung war eine Vergrösserung der Zahl der Personen, die für die Kommissionsarbeit zur Verfügung stehen, und damit eine Entlastung der Abgeordneten. 1989 gab sich der Landtag eine neue Geschäftsordnung.

Ressortvertretung 1971 wurde die sogenannte «Ressortvertretung» eingeführt, die im Zusammenwirken von Landtag und Regierung eine eigentliche Zäsur bildete. Bis 1971 galt es als ein Vorrecht des Regierungschefs, die Regierung allein im Landtag zu vertreten. Nachdem 1970 die VU Mehrheitspartei geworden war, wurde am 13. Juli 1971 eine Praxisänderung vorgenommen: Der Regierungschef verzichtete auf den Alleinvertretungsanspruch. Seither werden jeweils alle Regierungsräte zu den Landtagssitzungen eingeladen, und der zuständige Ressortinhaber vertritt seine Vorlagen.
 
Beim Majorz-System entscheidet die Mehrheit, wer gewählt wird. Minderheiten haben kaum eine Chance. Das Proporz-System ist eine Verhältniswahl. Für die Verteilung der Sitze sind die Parteistimmen ausschlaggebend. Gewählt sind diejenigen Kandidaten, die innerhalb der einzelnen Parteien am meisten Kandidatenstimmen erhalten.
Majorz oder ProporzNoch häufiger als die Mandatszahl wurde das Problem eines gerechten Wahlverfahrens diskutiert. Seit 1919 wurde die Politik im Landtag von den Parteien stark beeinflusst. Mit der Entstehung der Parteien führte die Frage nach dem besten Wahlverfahren zu heftigen Auseinandersetzungen zwischen den Abgeordneten.

In der Verfassung von 1921 wurde das Majorzverfahren beibehalten. Die Forderung nach dem Proporzwahlverfahren beherrschte bis 1939 die parteipolitischen Auseinandersetzungen. Das Proporzsystem wurde jeweils von der Minderheitspartei im Landtag gefordert, d. h. bis 1921 von der Volkspartei, dann bis 1928 von der Bürgerpartei und danach wiederum von der Volkspartei bzw. der Vaterländischen Union. Von der Mehrheitspartei hingegen wurde der Proporz bekämpft.
 
Die Verwirklichung des Verhältniswahlrechtes (Proporz) und damit eine innere Befriedung erfolgte in den Jahren 1938/39 angesichts der äusseren Bedrohung durch den Nationalsozialismus. Am 11. Januar 1939 stimmte der Landtag der Einführung des Verhältniswahlrechts zu. Die Gemeindebindung, d. h. der gesetzmässig gewährleistete Anspruch der Gemeinden auf eine Vertretung im Landtag, wurde fallengelassen. Neu eingeführt wurde die Wahl von stellvertretenden Abgeordneten.