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Geschichte der politischen Rechte bis 1921

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Geschichte der politischen Rechte bis 1921

Geschichte der politischen Rechte bis 1921

Die Ausgestaltung der Landesherrschaft

Aus dem Archiv der eidgenössischen Landvogteien Rheintal: Freiheitsurkunde für Ländereien ausgestellt von Sargans. (1342)
Churrätien war ein Teilgebiet eines Grossreiches. Zum Ausbau einer Landesherrschaft brauchte es die Loslösung von der zentralen Macht. Ein erster Schritt zur Eigenstaatlichkeit wurde durch die Teilung der Güter der Grafschaft Sargans getan.

Die Grafen von Montfort, Nachkommen der Grafen von Bregenz, waren eines der damals an die Macht gelangten Geschlechter. Sie kamen durch Erbteilung auch in den Besitz des heutigen liechtensteinischen Gebietes, das durch weitere Erbteilungen im Hause Montfort schliesslich in den Besitz der Grafen von Werdenberg-Sargans gelangte. Durch Teilung der Güter der Grafschaft Sargans zwischen den Brüdern Hartmann III. und Rudolf IV. von Werdenberg-Sargans entstand am 3. Mai 1342 die selbständige Grafschaft Vaduz. Der erste entscheidende Schritt auf dem Wege zur Eigenstaatlichkeit war damit getan, der Grundstein für das heutige Staatsgebiet gelegt. Graf Hartmann nahm auf Schloss Vaduz Wohnsitz, das nun Residenz des Landesherrn wurde.

Landesherrliche Rechte Es ist nachgewiesen, dass Graf Hartmann von Vaduz bereits landesherrliche Rechte besass. Die einzelnen Herrschaftsbesitzer, so auch die Grafen von Vaduz, nahmen jene Rechte, die dem Herzog oder früher dem Gaugrafen als dem Vertreter des Königs zustanden, für sich in Anspruch. Sie übten diese Rechte auch aus, da ja keine zentrale Macht mehr vorhanden war, die es ihnen hätte verwehren können. Solche Königsrechte (Regalien) waren: Gericht, Blutbann, Steuern, Bergwerke, Hochwald, Waffendienst, Zölle, Mühlen, Jagd und Fischerei.
 
Mit der Erbteilung wurde im Kern das Fürstentum Liechtenstein grundgelegt. Die im Bischöflichen Archiv in Chur befindliche Urkunde ist das Geburtsdokument der Grafschaft Vaduz. (3.5.1342)
Erhebung zum ReichslehenGraf Heinrich von Vaduz, der Nachfolger Hartmann I., liess sich sein Herrschaftsgebiet mit allen erwähnten Rechten am 22. Juli 1396 in Prag von König Wenzel aus dem Hause der Luxemburger als Reichslehen formell bestätigen. Durch die Erhebung zum Reichslehen war unser heutiges Staatsgebiet reichsunmittelbar geworden, was als Voraussetzung für die spätere Souveränität angesehen werden kann. (Das Staatsgebiet unterstand dem Kaiser und Reich «unmittelbar», ohne Einschaltung von Zwischeninstanzen.) Allein die Reichsunmittelbarkeit der Herrschaften war massgebend, dass die Fürsten von Liechtenstein 1699 und 1712 Vaduz und Schellenberg erwarben und die Erhebung der beiden Herrschaften zu einem Reichsfürstentum anstreben konnten.

Staatsgebiet des späteren Fürstentums LiechtensteinNach den Grafen von Vaduz übten in unserem Gebiet in den folgenden Jahrhunderten verschiedene Adelsgeschlechter die Landesherrschaft aus. Der letzte Graf von Vaduz, Bischof Hartmann von Chur, verkaufte seinen Besitz 1416 an die verwandten Freiherren von Brandis aus dem Emmental. Diese erwarben 1434 auch den nördlichen Landesteil. Damit waren das liechtensteinische Oberland (Grafschaft Vaduz) und das Unterland (Herrschaft Schellenberg) vereinigt. Das Staatsgebiet des späteren Fürstentums Liechtenstein war im Wesentlichen abgesteckt.  

Totenschild von Sigmund von Brandis (1486 - 1507), mit dem Wappen der Freiherren von Brandis. Die Stammburg Brandis liegt bei Lützelflüh im Emmental. Wolfhart I. von Brandis heiratete Agnes von Montfort-Feldkirch, die Witwe des Grafen Hartmann III. von Sargans-Vaduz. Der letzte seiner drei kinderlosen Söhne, Bischof von Chur, verpfändete die Grafschaft Vaduz und die Besitzungen auf dem Schellenberg an seine Halbbrüder Ulrich Thüring und Wolfhart II. von Brandis. Er löste das Pfand nicht mehr ein, und nach seinem Tode waren die Brandiser in vollem Besitz des Landes. 1434 wurde der letzte Teil des Gebietes auf dem Schellenberg erworben, und seither sind in der Vereinigung der Grafschaft Vaduz und der Herrschaft Schellenberg die Landesgrenzen unverändert. (1507)
 
Brandisische Freiheiten Eine erhebliche Erweiterung der landesherrlichen Rechte erlangte Freiherr Wolfhart von Brandis im Jahre 1430 für sich und alle seine Erben und Nachfolger: Brandisische Untertanen und Leute, die in den brandisischen Gebieten wohnhaft waren, durften nur mehr vor den Gerichten, die von ihnen bestellt wurden und in ihren Herrschaften tagten, beklagt oder einvernommen werden. Die Freiherren von Brandis erhielten vom Kaiser den «Blutbann» verliehen, das Recht, über Leben und Tod zu richten. Die Entscheidungen der brandisischen Gerichte waren endgültig.
Die «Brandisische Freiheiten» genannten - als Reichslehen erteilten -  landesherrlichen Rechte bestimmten im Wesentlichen die «alte Ordnung», die Verfassung unseres Landes bis zur Erwerbung durch das Haus Liechtenstein.

 
König Wenzel (1361 - 1419) erhob unter Graf Heinrich von Vaduz (1345 - 1397) unser heutiges Staatsgebiet zum reichsunmittelbaren Lehen (1396). (Gemälde eines unbekannten Künstlers im 14. Jahrhundert)
VolksrechteNeben der Ausgestaltung und Festigung der obrigkeitlichen Rechte entwickelten sich ganz bestimmte Volksrechte.
Die einzelnen Dorfgemeinschaften (Nachbarschaften) regelten ihre Angelegenheiten (Wald, Alpen, Allmend etc.) wie seit alters her durch eine Art genossenschaftliche Ordnung selbst. Eine Genossen- oder Dorfordnung regelte den Lebensbereich der Nachbarschaft. Übertretungen dieser Ordnung wurden vor einem eigenen Gericht, dem Genossengericht eingeklagt und gebüsst. Den Vorsitz bei diesem Gericht hatte der Ammann oder Landammann, wie man ihn später nannte. Solche Ammänner sind bereits im 14. Jahrhundert urkundlich erwähnt.
 
Die Landesherren waren gemäss den «Brandisischen Freiheiten» ausdrücklich ermächtigt, die Vollmacht zur Ausübung der Gerichtsbarkeit an ihre Leute zu übertragen, sofern diese fähig waren, das Richteramt auszuüben. Solche von der Herrschaft beauftragten Ammänner hielten nachweislich seit der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts Gericht in Vaduz für die Leute dieser Grafschaft und auf Rofenberg für die Leute der Herrschaft Schellenberg. Vor diese Gerichte gehörten Streitigkeiten über «Erb und Eigen» und Strafsachen.
 
Die Kapelle auf dem Rofenberg in Eschen, ist als Gerichtsstätte der unteren Landschaft von historischer Bedeutung. (Gebaut zu beginn des 16. Jahrhunderts)
Gerichtsgemeinden – Mitwirkung des VolkesDa gemäss den brandisischen Privilegien alle, die auf dem Gebiet der Freiherren von Brandis wohnten, diese Richter anerkennen und vor ihren Gerichten Recht nehmen mussten, wurden die rechtlichen und sozialen Unterschiede bei den Bewohnern unseres Landes allmählich abgebaut. Es bildeten sich die beiden Gerichtsgemeinden der Grafschaft Vaduz und der Herrschaft Schellenberg.
 
Wesentlichstes Merkmal dieser Ordnung ist die ausgeprägte Mitwirkung des Volkes. Die Gerichtsgemeinden waren nicht nur Gebiete mit einem Gericht und Träger staatlicher Aufgaben, sie waren lebendige politische Gemeinschaften mit eigenem Haushalt und Steuerrecht.
 
Wahl des LandammannsDer Vorsteher der Gerichts- oder Landsgemeinde einer Landschaft war der Landammann. Er wurde aus einem Dreiervorschlag der Landesherrschaft von der versammelten Landsgemeinde in offener Wahl bestimmt. Gleich nach der Wahl wurde der Landammann vereidigt und ihm das Recht erteilt, über das Blut zu richten und andere Gerichte zu halten. Die Landsatzungen, eine Art Polizeiordnung und Strafgesetz, wurden verlesen und von den Anwesenden beschworen. Das Gericht bestand aus zwölf auf Lebenszeit gewählten Richtern. Die Landesherrschaft bestellte und vereidigte auch den Gerichtsweibel und den Landschreiber, der in Rechts- und Gerichtssachen erfahren sein musste. Der Landschreiber führte das Protokoll bei den Gerichtsverhandlungen, verfasste die schriftlichen Urteile und fertigte die öffentlichen Urkunden aus, die vom Landammann besiegelt wurden. Der Landammann vereidigte auch die Geschworenen und die Vorsteher der Dorfgenossenschaften.

Gerichte in der Grafschaft Vaduz und Herrschaft SchellenbergDas Gericht wurde regelmässig jährlich zweimal, im Mai und im Herbst, als Maien- und Herbstzeitgericht gehalten. Vierzehn Tage vorher wurde es durch den Weibel ausgerufen. In der Herrschaft Schellenberg tagte es auf Rofenberg bei der Kapelle, in der Grafschaft Vaduz auf dem offenen Platz «bei der grossen Linde», welche gegenüber der heutigen Pfarrkirche stand. Der Landammann, der Landweibel und die Richter trugen während der Amtshandlung lange Mäntel.


Landsbrauch - Aufzeichnung des geltenden RechtsIn den Gerichtsgemeinden, die sich weiträumiger über den Dorfgenossenschaften aufbauten, wuchs die politische Kraft des Volkes. In den beiden Landschaften entwickelte sich ein eigenes Recht, das als «Landsbrauch» mündlich weitergegeben, trotz mancher Neuerung im uralten Boden Rätiens und Alemanniens wurzelte. Neben diesem Gewohnheitsrecht, das ursprünglich wohl die stärkste Rechtsquelle war, galt bei uns das auf altem Stammesrecht fussende Schwäbische Landrecht.
 
«Landsbrauch» nennt man die Aufzeichnungen der in der Grafschaft Vaduz und in der Herrschaft Schellenberg geltenden Rechte. (1682)
Das Recht als Brauch Der «Landsbrauch» enthält altes Gewohnheitsrecht, das schriftlich niedergelegt wurde, und verschiedene Verordnungen und Gesetze, so etwa eine alte Polizeiordnung. Der «Landsbrauch» diente dem Landammann als Richtschnur für die Verwaltung seines Amtes.
Der älteste erhaltene «Landsbrauch» stammt aus dem Jahre 1682. Alle alten Rechte wurden durch die Dienstinstruktoren des Fürsten Johann I. im Jahre 1808 aufgehoben.


Von Hochzeitstagen und GeschenkenBisher sind bei den gehaltenen Hochzeiten und Schenkungen merkliche überflüssige Unkosten für Speis und Trank (daraus dann beschwerliche Teuerung erfolgt) angefallen, womit gleich wohl den Hochzeitlichen ganz und gar nichts gedient und doch mancher Säckel dardurch leer geworden ist und hätte vielleicht der mehrere Teil das verzehrte Geld wohl sonst daheim in ander Weg zu Haus notdürftig brauchen mögen.
Um dem nun vorzukommen, ist hiermit unser ernstlicher Befehl, Wille und Meinung, dass wenn in Zukunft zwei Personen zu der heiligen Ehe greifen und nicht über 200 Gulden zusammenbringen, dieselben wohl gute Freunde zum Kirchgang, damit solcher ehrlich vollzogen werde, aber doch zur Mahlzeit nicht über 12 Personen laden und setzen mögen, es würde ihnen denn die Hochzeit von ihren Eltern oder sonst guten Freunden gehalten und von unseren Oberamtleuten ein mehrers bewilligt – bei Straf von einer Person 1 Pfund Pfennig. So von Bräutigam und Wirt je zur Hälfte unlässlich bezahlt soll werden.
Und wenn reiche, vermögliche Leute Hochzeit halten, sollen dieselben nit mehr als 30 oder 40 Personen, des meisten aber 4 Tisch laden, bei vor gesagter Straf. Und dann nach Gelegenheit der Zeit darf bei dem Wirte keine Mannsperson für mehr, aber wohl weniger als für fünf und eine Weibsperson für vier Batzen verzehren, auch sonsten von denen Hochzeitsleuten nichts weiter dazu geschossen werden darf. Alles bei Straf von 5 Pfund Pfennig, beides von den Hochzeitsleuten und dem Wirt halb zu bezahlen. (Text vereinfacht)
     1 Gulden (fl.) = 15 Batzen ( = 60 Kreuzer = 210 Pfennig)
     100 Pfund Pfennig = 1 fl. 6 kr.

Im Jahre 1653:
Tageslohn eines Schneiders betrug 10 kr.,
eine Näherin erhielt pro Tag 3 kr.; ein Taglöhner 6-8 kr.;
     1 Laib Brot: 12 kr.;
     1 Mass Milch (1,5 Liter): 2 kr.