Das Fürstentum Liechtenstein   >  

Die Rechtspflege   >  

Das Fürstentum Liechtenstein   >  

Die Rechtspflege   >  

Die Rechtspflege

Der Ablauf eines Zivilprozesses

Alle Richter stehen unter dem Schutz der richterlichen Unabhängigkeit. In Liechtenstein tragen die Richter keinen Talar oder kein Ornat.
Ebenso wie im Strafprozess gelten im streitigen Zivilverfahren der Grundsatz der Mündlichkeit, der Unmittelbarkeit und der Öffentlichkeit sowie der Grundsatz der freien Beweiswürdigung durch den Richter.

Im streitigen Zivilprozess gelten normalerweise der Untersuchungsgrundsatz sowie das Anklageprinzip nicht. Hingegen wird der streitige Zivilprozess durch den Dispositionsgrundsatz beherrscht. Dieser Grundsatz bedeutet nichts anderes, als dass die Parteien Verfügungsfreiheit über den Streitgegenstand haben. Er äussert sich in dreierlei Hinsicht:
  • Einleitung des Verfahrens (Klage und Erhebung von Rechtsmitteln) ist Sache der Parteien,
  • die Parteien bestimmen durch ihre Anträge den Gegenstand der gerichtlichen Verhandlung und Entscheidung und
  • die Parteien können über den Streitgegenstand bestimmen; sie können eine Schuld anerkennen, Verzichtserklärungen abgeben oder einen Vergleich schliessen und damit den Prozess beenden.

Absatz
 
Der Rechtsanwalt vertritt die Anliegen seines Mandaten in der Vermittlungsverhandlung.
Ablauf eines streitigen Zivilverfahrens Im Jahre 2007 baut Beat Bauherr ein Haus. Er bestellt in diesem Zusammenhang bei Schreiner Hobel, Vaduz, eine Küche und lässt sie in der Folge von diesem einbauen. Für die Küche war ein Preis von CHF 30'000 inklusive Einbau vereinbart. Bei Lieferung bezahlt Beat Bauherr bereits CHF 10'000. Den restlichen Preis bezahlt er nicht, weil er sich auf den Standpunkt stellt, dass die gelieferte Küche mit verschiedenen Mängeln behaftet sei. So würden Türen nicht ordnungsgemäss schliessen, beim Einbau seien bereits diverse Schubladen nicht richtig gegangen und Geräte nicht richtig angeschlossen worden. Er setzt in diesem Zusammenhang dem Schreiner Hobel auch eine Frist, die entsprechenden Ausbesserungsarbeiten vorzunehmen. Nachdem der Schreiner diesen Ausbesserungsauftrag nicht ausgeführt hat, entschliesst sich Beat Bauherr, die restliche Summe nicht zu bezahlen.
Schreiner Hobel mahnt daraufhin Beat Bauherr mehrere Male schriftlich und beantragt für den restlichen Betrag von CHF 20'000 bei der Exekutionsabteilung des Landgerichts den Erlass eines Zahlbefehls. Gegen diesen Zahlbefehl erhebt Beat Bauherr Widerspruch, wodurch Schreiner Hobel gezwungen ist, seine restliche Forderung von CHF 20'000 einzuklagen. Zu diesem Zweck beauftragt er einen Anwalt mit der gerichtlichen Durchsetzung seines Anspruches. Der Rechtsanwalt von Schreiner Hobel beantragt beim Vermittleramt in Vaduz die Abhaltung einer Vermittlungsverhandlung und die Vermittlung des Klagebegehrens. Da Beat Bauherr zu dieser Vermittlungsverhandlung nicht erscheint, verlangt der Rechtsanwalt von Hobel den Leitschein, der das unvermittelt gebliebene Klagebegehren wiedergibt.

Gerichtsverhandlung Der Rechtsanwalt von Schreiner Hobel reicht die Klage beim Landgericht ein und begehrt darin die Verurteilung des Beat Bauherr zur Bezahlung von CHF 20'000 zuzüglich 5% Verzugszinsen sowie zum Ersatz der Verfahrenskosten; dies alles binnen vier Wochen bei sonstiger Exekution. Aufgrund der schriftlichen Klagseingabe setzt Landrichter lic.iur. Theo Aukreisel eine erste Verhandlung an, in der er versucht, eine Einigung zwischen den Streitparteien zu erzielen. Als diese Einigung nicht zustande kommt, trägt er der beklagten Partei auf, eine schriftliche Klagebeantwortung binnen einer Frist von vier Wochen an das Gericht zu senden. Sowohl in der Klage als auch in der Klagebeantwortung haben die Parteien ihre Sachverhaltsdarstellungen zu machen, aus der sie allfällige Rechte ableiten und entsprechend diesen Sachverhaltsdarstellungen Beweise anzubieten. Aufgrund dieser Beweisanbote führt dann der Landrichter die Verhandlung durch und nimmt Beweise zu den Vorbringen der Parteien auf. Es werden unter anderem Zeugen einvernommen, die Parteien gehört, Sachverständigengutachten eingeholt und Urkunden zum Beweise dem Gericht vorgelegt. Aufgrund des abgeschlossenen Beweisverfahrens und nachdem der Landrichter der Überzeugung ist, dass es der Aufnahme weiterer Beweise nicht bedarf, schliesst er die Verhandlung.

Schriftliches UrteilAn Ende des Zivilprozesses wird das Urteil nur ausnahmsweise mündlich verkündet. Normalerweise ergeht das Urteil schriftlich. Die Urteilsbegründung umfasst neben dem aufgeführten Spruch im Wesentlichen drei Teile:
  • die Tatbestandsdarstellung
  • den festgestellten Sacherhalt und die Beweiswürdigung
  • die rechtliche Beurteilung

In den meisten Fällen ergeht das Zivilurteil schriftlich und wird beiden Parteien bzw. ihren Rechtsvertretern (Anwälten) zugestellt. Jede Partei, die nicht vollumfänglich obsiegt hat, hat dann die Möglichkeit, das Rechtsmittel der Berufung an das Fürstliche Obergericht binnen einer Frist von vier Wochen zu ergreifen. Sollte sie mit der Entscheidung des Obergerichtes nicht einverstanden sein, so steht ihr auch hier das Rechtsmittel der Revision an den Obersten Gerichtshof zu.

Zivilurteil